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Humanist vielleicht und vielleicht liberal; Menschenfreund im Allgemeinen; reflektierend; angeborener Gerechtigkeitssinn

Freitag, 10. Februar 2012

Die iranische Bedrohung Israels

ist alles andere als nachgewiesen. Doch sind v.a. israelische Politiker vollkommen und zweifellos von der Atombombenstrategie des Irans überzeugt, so daß seit einigen Wochen ein israelischer Präventivangriff auf den Iran und seine Atomanlagen durch die Medien geistert und sogar die Münchner Sicherheitskonferenz von Kriegsängsten durchdrungen sein soll. Das politische Geschehen scheint gerade (großflächig wie so oft) vom gesunden Menschenverstand abgekoppelt. Also, halt, stop, kurze Rekapitulation, was bisher geschah:

Die Iraner arbeiten an ihrem Nuklearprogramm, soviel ist sicher. Der Westen (einschießlich Israel) wirft dem Iran vor, letztendlich Kernwaffen damit anzustreben, was der Iran bestreitet. Weder kann der Westen dem Iran seinen Vorwurf beweisen, noch kann oder will der Iran das Gegenteil beweisen. Bislang gibt es nur Argumente. Und Hitzkopf Ahmadinedschad und der extremistische Greis haben mehrmals vor der Weltpresse festgestellt, daß sie nicht viel von Israel halten und es sogar von der Landkarte verschwinden solle etc. etc.. Israel fühlt sich daraufhin existentiell bedroht bzw. malen israelische Politiker und (teilweise) Medien den Teufel in Form des möglichen 2. bevorstehenden Holocaust an die Wand. Und das wirkt, überall in Israel ist man besorgt darüber, obwohl das Thema nicht unbedingt im Alltag, aber immerhin die Medien dominiert. Jedoch außer markiger Worte haben die Iraner bislang keiner israelischen Fliege etwas zu Leid getan (zumindest nicht direkt), das darf man nicht vergessen. Denn wenn der Iran Israel direkt schaden gewollt und in einen Krieg hineinziehen wollen hätte, hätte er doch schon längst angreifen können. Warum dann auf die Atombombe warten? Weil man dann auch viele Araber zusätzlich zu den Juden vernichten kann? Das ist absolut lächerlich!

So wenig wie das iranische Regime, dessen Menschenrechtsbilanz sehr bedenklich aussieht, daran denkt, dem ihm vom Westen versuchten (und Israel geführten) aufdoktrinierten Eingriff in seine Politik zu akzeptieren, so wenig hat die israelische Regierung Interesse an einer realistischen Einschätzung der Lage. Ein Aufblasen der gegenwärtigen Lage bedeutet engere und mehr Unterstützung durch die westlichen Verbündeten, vielleicht noch ein aus deutschen Steuermitteln finanzierten U-Boots hier und einigen ultramodernen amerikanischen Kampfflugzeugen da, kurz: ein erheblicher politischer Nettogewinn für die israelische Regierung. Da kann der schwachsinnige Liebermann noch so sehr gegen alles und jeden wettern, so etwas fällt angesichts der iranischen Bedrohung unter den Tisch. In den USA sind allerdings nicht alle Teile der Politik und der Bevölkerung von der Idee begeistert, von Israel in einen neuen Krieg unweigerlich hineingezogen zu werden, die Russen beziehen klar Position, aber die Mehrzahl der israelischen Politiker denken nicht im Geringsten über Mäßigung und kurzes Einhalten zum Zweck des Nachdenkens (den Stimmen der Kritiker, die in Israel nicht populär sind, wird nicht viel Aufmerksamkeit und ernsthafte Berücksichtigung geschenkt). Auf der anderen Seite denken die iranischen Politiker nicht im Traum an ihr eigenes Volk, d.h. auch die vom Westen verbal unterstützte politische Opposition im Land, das für derart dumme Machtspielchen herhalten und den Preis (der Sanktionen und aller anderen Folgen) tragen muß. Jedoch schätzen qualifizierte Kommentatoren, daß die Sanktion den Ehrgeiz der iranischen Regierung noch anheizen werden. Es wird sie in ihrem Ansporn, es hinsichtlich der Nukleartechnologie mit ihren (mittelbaren) Nachbarstaaten Pakistan und Indien gleichzuziehen, nur noch zusätzlich motivieren, fürchte auch ich.

All dieses (zugegeben sehr massive) Säbelrasseln, obwohl es (immernoch) keinerlei Beweise gibt. Auf beiden Seiten. Kriege ohne sichere Nachweise vom Zaun zu brechen ist offensichtlich beliebt geworden unter den Staatenlenkern dieser Welt bzw. nicht weniger beliebt als es immer schon war. Nur zu, immer vorwärts ins Mittelalter! Die Ereignisse erinnern (leider) sehr an die dem 2. Irakkrieg unmittelbar vorangegangene Zeit: damals hatten die USA auch "felsenfeste" Beweise über Husseins gefährlich Pläne, die sich im Nachhinein als vollkommen falsch herausstellen. Werden aber der Verantwortlichen am gegenwärtigen irakischen Elend irgendwie zur Rechenschaft gezogen? Nein, sie genießen ihre amerikanischen Politikerpensionen. Ihre Nachfolger haben die amerikanischen Demokratiesäbel abgezogen und überlassen das Chaos sich selbst, ach Iraker, wen interessieren schon Iraker... (oder Afghanen)

Ein weiterer Hintergrund erscheint denkbar: vielleicht glauben die israelischen Politiker nicht wirklich daran, daß der Iran Atombomben auf ihr Land abfeuern würde. Doch würde das Besitzen von Nukleartechnologie durch den Iran die regionale strategische Lage nachhaltig verändern, denn die Israelis während nicht mehr die einzigen im Nahen Osten, die über Nukleartechnologie verfügen. Allein diese Gefahr das nachhaltigen Macht- und Abschreckungspotentialverlustes (die nach dem israelischen Politiker Menachem Begin benannte Begin-Doktrin), dürfte den israelischen Politikern (verständlicherweise) erhebliches Unwohlsein bescheren, für den hochrangige israelische Militärangehörige bereits jetzt Anzeichen sehen. Es geht um Machtpolitik, um die militärische Vorherrschaft im Nahen Osten. Denn: würde das iranische Regime tatsächlich eine Atombombe auf Israel abfeuern und mit deren Explosion neben vielen Juden auch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von moslemischen Arabern damit töten?? Nein, ganz sicher nicht. Wird der Iran die Gefahr in Kauf nehmen, die Al-Aksa-Moschee nuklear zu verseuchen? Nein, ganz sicher nicht.

Andererseits würde Israel mit einem Präventivschlag sehr viel riskieren. Jedoch die, die vor einer möglichen Vernichtung Israels durch die iranische Bombe warnen, unterliegen dem Irrtum, daß Israel ein 100% jüdischer Staat ist, was zwar einige israelische Politiker und die entsprechenden politischen Lager gern hätten, aber (zum Glück) in der Realität nicht so ist.

P.S. Aktuelle Meinungen aus der israelischen Öffentlichkeit sind unter diesem Artikel zu finden. Ich fürchte jedoch, daß die, die eindeutig und laut nach einem Angriff rufen, dies aus Unwissen um die iranische Mentalität tun. Nur wenige Fachleute wie Efraim Halevy treten mit ihrer kritischen Meinung an die Öffentlichkeit. Genau so sicher es ist, daß der Iran Israel nicht direkt militärisch bedrohen würde (ob mit oder ohne Atombomben), wird er einen israelischen Erstangriff erwidern und sich gegen Israel verteidigen. Denn ein Angriff auf den Iran wird dazu führen, daß sich auch iranische Nationalisten und sämtliche andere gesellschaftlichen, die eigentlich nichts oder nur wenig von der religiösen Regierung halten, sich auf deren Seite schlagen werden. Ein Angriff auf den Iran hat einen zweifachen Charakter: natürlich den nationalen, aber auch den religiösen, denn das iranische Regime wird einen solchen Angriff (mißbräuchlichereweise) als eine Aggression von Nichtmuslimen gegen die rechtgläubigen Schiiten geschickt ausschlachten. Israelische Politiker sollten sich in einer ruhigen Minute ein Buch zur Geschichte des Islams zu Hand nehmen und das Selbstverständnis der Schia und ihre Reaktionen auf Angriffe von außen studieren und danach die gegenwärtige Lage gründlich durchdenken. Aber das wird wohl (zum Nachteil Israels leider) nicht geschehen.

Die Schiiten haben in ihrer Geschichte stärkere und mächtigere Gegner gehabt, als das vielleicht nuklear ausgestattete, aber dennoch winzige Israel. Und die Amerikaner werden sich schon allein aus fiskalpolitischen Gründen hüten, einen neuen Krieg im Nahen und Mittleren Osten zu beginnen.

Nachtrag: Der Standard dokumentiert im Juni 2012, daß das Mißtrauen gegen ein iranisches Atomprogramm von Seiten des Westens als auch von Seiten Israels etwa genau so alt ist, wie die Islamische Republik selbst, teilweise sogar älter.

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