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Humanist vielleicht und vielleicht liberal; Menschenfreund im Allgemeinen; reflektierend; angeborener Gerechtigkeitssinn

Mittwoch, 4. April 2012

Günter Grass: Was gesagt werden muss

Grass hat ein klares und ehrliches Gedicht über eine, wie er richtig erkannte, "vom Wahn okkupierte Region“ geschrieben. Vielleicht ist der Rückgriff auf den Weltfrieden und die "Auslöschung" des iranischen Volkes etwas hoch (aber durchaus als Übersteigerung unter "dichterische Freiheit" buchbar), aber im Kern trifft das Gedicht den Nagel auf den Kopf. Und die deutschen Medien, Politiker und andere Meinungsmacher ergötzen sich umgehend an solchem "versteckten/ sekundären Antisemitismus" (ähnlich wie bei der Friedenspreisverleihung an Mitri Raheb, der von Robbe und ähnlichen Ideologen umgehend als Antisemit erkannt wurde):


Das ZDF stellt fest: ""Unverantwortlich", "irritierend", "aggressives Pamphlet" - mit seiner Kritik in Gedichtform, Israel gefährde den Weltfrieden, hat Literaturnobelpreisträger Günter Grass Empörung und Widerspruch ausgelöst. Es gibt wenige unterstützende Stimmen." und zitiert als die kritisierenden Stimmen tatsächlich die beiden maßgeblichen deutschen Intellektuellen Giordano und Broder (!!!), die Speerspitzen der Wehrrecken Europas. Bekannte Nahostkommentatoren wie Patrick Gensing stellen fest, daß die Forderung nach internationaler Kontrolle von Israels Atomwaffen eine das Delegitimierung Israels darstellt. Außerdem meint er in Grass' Gedicht zu lesen, daß "das Recht auf Selbstverteidigung wird bestritten" und "Israel ist unser Unglück". Grass hat das nicht gesagt, auch nicht indirekt. Doch scheint bei manchen Menschen der gesunde Menschenverstand und das Verständnis der Muttersprache, sofern sie es überhaupt besitzen, auszusetzen, sobald es um kritische Wort zu Israel geht. "Experte" Gensing reagiert reflexartig und hat mit Sicherheit die öffentliche Diskussion IN Israel nicht verfolgt, die den gleichen Grundtenor besitzt wie Grass' Gedicht. Die bekannten Nahost-experten der CDU Rüdiger Polenz oder Hermann Gröhe kritisieren Grass ebenfalls scharf. Jedoch ist dies ebensolcher gedankenloser und durch und durch ideologischer Automatismus wie vom ARD-Experten ... wie hieß er doch gleich? Der Gesandte Netanyahus auf deutschem Boden stellt ebenso überzeugend wie differenziert fest: "Was gesagt werden muss ist, dass es zur europäischen Tradition gehört, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen. Früher waren es christliche Kinder, deren Blut die Juden angeblich zur Herstellung der Mazzen verwendeten, heute ist es das iranische Volk, das der jüdische Staat angeblich auslöschen will." - Wenn das mal nicht die Wahrheit ist: vor dem Pessach beschuldigt Grass die JUDEN (die er in keinster Weise in seinem Gedicht erwähnt, da es sich nicht um Religion, sondern Politik handelt) des Ritualmords! Einmal heißt er im ZDF "Nahshon", wenige Zeilen darunter aber "Nashohn". Wenn die werten ZDF-Journalisten ihr, falls vorhandenes, Gehirn in der Tat benutzen würden, hätten sie sich womöglich für die der Aussprache folgenden Schreibung "Nachschon" entscheiden könnten statt aus dem Vertreter Israels in Deutschland fast ein Nashorn zu machen - ist das bei aller Hysterie keine tröger, mindestens tertiärer Antisemitismus? Wenn schon die ARD Grass als den seit jungen Jahren offen oder verdeckten Antisemiten enttarnt. Ebenso Die Welt. Und Die Welt druckt natürlich den "Experten" Broder... Das ZDF produziert innerhalb von 2 Tagen 8 Beiträge und die ARD ebenso. Jedoch ist das ZDF-Interview ebenso wie das ZDF-Interview mit Ahmedinedschad hoffnungslos einseitig und tendenziös (Claus Kleber ist dermaßen gut vorbereitet, daß er sich vom Perser Ahmadinedschad, den das ZDF offensichtlch für einen Araber statt für einen Perser hält, tatsächlich mit dem arabischen Abschiedsgruß "Schukran" (statt mit einem persischen) verabschiedet!!). Zumindest macht Tom Buhrow einen einigermaßen kompetenten Eindruck.

Obwohl sich Grass auch klar und mindestens ebenso kritisch zum Iran äußert, wird das vollkommen ausgeblendet und ihm sogar Pauschalkritik nicht nur an Israel, sondern an den Juden vorgeworfen (siehe Kommentare unter diesem Artikel oder diesem in der beliebtesten israelischen Boulevardzeitschrift). Unglaublich, wie viele Menschen den Verstand ab und an verlieren...

Ausnahms- (und überraschender)weise sind die Linken auf der richtigen Seite.

P.S. Danke, für den Standpunkt von Johano Strasser!

Schlußbetrachtung: wenn es nicht derart desillusionierend wäre, wäre es lustig anzusehen: ein Dichter macht ein politisches Gedicht und benutzt verschiedene Stilmittel, um seine Aussage zu unterstreichen. Das Gedicht handelt von einem Land und seiner Rolle in seiner Region. Das Gedicht gefällt vielen nicht, v.a. den politisch Korrekten bzw. denjenigen, die zur Trägheit und Einfachheit des Geistes und zur ideologischen Verbrämung der politischen Diskussion neigen. Plötzlich nehmen Politiker sämtlicher Parteien Stellung zu einem Gedicht! Plötzlich interessiert Poesie nicht nur die Politik, sondern die Öffentlichkeit! Plötzlich ruft Poesie, politische Poesie zugegeben, die heeren Verteidiger Israels und die Pseudo-Intellektuellen der deutschen Öffentlichtkeit auf den Plan. Plötzlich werden Unmengen von Journalisten, Politikern und anderen Meinungsmachern zu Poesie-Kritikern. Sie wähnen im gewohnten Automatismus, den verdammenswerten Antisemiten im Autor des Gedichts zu erkennen, dem die Existenz Israels ein Dorn im Auge ist, mehr noch, der "die Juden" pauschal und plump kritisiert, ja ihnen "in gewohnter europäischer Weise" Ritualmord verwirft. Uuuuuuhhhh... all diese scharfsinnigen, brillanten und eng am Text orientierten Analysen... Grass gebührt Dank für diesen Beitrag zur öffentlichen Diskussion. Er kann es sich leisten und hat die Hand in die Wunde gelegt. Getroffene Hunde bellen. Sollen sie sich heißer bellen angesichts der sich nach bestem Können und Willen vorgestellten Fata Morganas.

Und dieses Problem ist ein speziell deutsches. Wohl in keinem anderen Land des Kontinents ist die öffentliche Diskussion hinsichtlich dieses Themas von so viel Unsinn, haltlosen Unterstellungen und Ideologie geprägt. An alle heeren Verteidiger: Grass will nicht Israel abschaffen. Es bringt lediglich Bedenken zu einem möglichen israelischen Erstschlag und den (auch unter amerikanischen und einigen israelischen Kommentaren zum Bedenken gegebenen) unabsehbaren Folgen für die Region vor. Weder hat der Iran, abgesehen von den "Maulhelden"-Parolen eines Ahmedinedschad, Israel mit einem Krieg gedroht, noch ist es bewiesen, daß der Iran die Atombombe anstrebt. Allerdings hat sich die israelische Regierung mehrmals explizit zu einem Angriff auf den Iran geäußert. Außerdem macht ein (atomarer) Angriff auf Israel wenig Sinn für die iranischen Interessen in der Region. All das sehen die Automaten nicht, entweder weil sie nicht können oder nicht wollen, sondern geben die Gebetsmühle, indem sie gewisse Vermutungen und Anschuldigungen gewisser Interessengruppen kritik- und gedankenlos widergeben und diese für ausgewogene, stichhaltige und sinnmachende Argumente halten.

Wenn man Grass reden hört, so wird seine humanistische Absicht jenseits der schwachsinnigen deutschen Journallie deutlich.

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