Ein interessantes Detail trat vereinzelt in den deutsche Medien auf in den letzten Tagen: Die deutsche Nationalmannschaft wird von einem überraschend großen Teil der Israelis gemocht und sogar ihr der Weltmeistertitel gewünscht (was nun mittlerweile Makulatur ist). Die Süddeutsche berichtet's, die OP-Online (was auch immr das ist), Zenithonline und der Südkurier.
Dabei fallen Zitaten/ Aussagen wie: "zumal im deutschen Team junge Leute spielen, deren Großväter während der Nazi-Zeit gar keine Deutschen waren.", "Die Schatten der Vergangenheit, die Gräuel der Nationalsozialisten und der millionenfache Mord lassen es nicht zu, »zu vergeben und vergessen«, wie die Yedioth Ahronoth schreibt.", "»Wir haben nicht das durchgemacht, damit es heute Menschen in diesem Land gibt, die Deutschland unterstützen, so als ob nichts geschehen sei. Gibt es keine anderen Mannschaften auf dieser Welt? Können sie nicht die englische unterstützen? Die spanische? Jetzt unterstützen sie die Deutschen, morgen werden sie den Holocaust vergessen und einen Tag später, wenn es – Gott verhüte – wieder passiert, werden wir wieder sehen, wie sie sich erinnern«, sagte ein Holocaust-Überlebender der Zeitung.", "POLEN: Wenn die deutsche Nationalelf spielt, bleibt die polnische Seele oft tief gespalten. Vor allem für jene Fans, die den Krieg noch erlebt haben, ist die Unterstützung nach wie vor schwierig.", "Und Ex-Bildungsminister Jossi Sarid schrieb in der Zeitung “Haaretz“: “Wir zählen die Spiele bis zum Halbfinale und Finale und dürfen jetzt auch das deutsche Nationalteam unterstützen.“ Bis vor ein paar Jahren “hätten wir uns niemals dazu bewegt“. Die Debatte geht weit über den Sport hinaus. Die Zeitung “Maariv“ schrieb, die Frage, ein Fan des deutschen Teams zu sein, sei keine Sportfrage, sondern eine Frage, die zur Wurzel gehe. “Viele Menschen glauben, dass die Bereitschaft zur Normalität zwischen beiden Völkern die Erinnerung an den Holocaust und die Ermordeten beschädigt und als Begnadigung der deutschen Nation dient.“", "«Es gibt noch immer einige Menschen, die weder deutsches Spielzeug oder deutsche Autos kaufen und die nicht einmal in Betracht ziehen, im Schwarzwald Urlaub zu machen (...) Die Frage, ein Fan des deutschen Teams zu sein, ist keine Sportfrage, sondern eine Frage, die zur Wurzel geht, ob wir die Fähigkeit besitzen, uns normal gegenüber den zeitgenössischen Deutschen zu verhalten (...) Viele Menschen glauben, dass die Bereitschaft zur Normalität zwischen beiden Völkern die Erinnerung an den Holocaust und die Ermordeten beschädigt und als Begnadigung der deutschen Nation dient.»", "Die Tageszeitung «Jerusalem Post» hatte mit Blick auf die NS-Zeit sowie aktuelle Vorgänge in der Welt geschrieben, dass es für einen Juden nur koscher sei, den USA oder Holland die Daumen zu drücken. Bei allen anderen Ländern gebe es triftige Gründe, dies nicht zu tun."
Hm. Da denk ich mir nur hm. Was hat die Fußballweltmeisterschaft 2010 mit dem zweiten Weltkrieg und der Judenvernichtung zu tun, die beide vor mehr als 65 Jahren endeten. Hm. Zur "Nazizeit" sah die Welt anders aus. Aber selbst wenn die Großväter der Spieler deutsche gewesen wären, was würde das heißen? Diese Aussage zum Beispiel soll wohl implizieren, daß alle Deutsche damals Nazis waren, fürchte ich. Hm. Denke ich nochmal. Ich optiere für eine nüchterne, dogmafreie Betrachtung:
Viele Leute scheinen nicht begriffen zu haben, was damals stattfand. Es war eine politische Bewegung, die diejenigen, die sich zu ihren Gegner und Feinden erklärt hatte, gnadenlos verfolgte. Das Verhängnis war nun, daß diese Bewegung in Deutschland an die Macht kam und somit wüten konnte, wie sie wollte. Ausgeklammert dabei bleibt, ob es nicht in anderen Ländern zu dieser Zeit ähnlich gesinnte Bewegungen gab, die - das steht fest - bei der Machtergreifung nicht so erfolgreich waren. Nun kommt dabei das Moment des logischen Trugschlusses zum Tragen, das im Kontext von Massenmeinungen und -medien gern aufzutreten pflegt. Und dieser liegt darin, daß wenn (fast) jedes Mitglied dieser Bewegung der Nationalität nach Deutscher war, das im Umkehrschluß sicherlich nicht heißt, daß jeder Deutscher (wohlgemerkt unabhängig von Religion und Ethnie) Mitglied oder zumindest Unterstützer dieser Bewegung war. Nicht nur, daß es logisch falsch ist, die Geschichte stützt diesen "grandiosen" Gedanken nicht. Ein teil der Juden, die vernichtet wurden, waren Deutsche, die Kommunisten, Homosexuelle, und bekennenden Christen etc. etc. waren ja auch Deutsche. Erklärtermaßen gab es den (politischen) Feind im eigenen Volk. Also nun? Wenn man nun in gewissen kreisen Kreisen zum Ergebnis kommt, Deutschland sei ein "Volk der Täter" (oder wie immer man es in Worte faßt), also implizit als homogene Einheit aufzufassen, die sich in ihrem "Volkscharakter" nicht ändert, ja nicht ändern kann, nun dann ist es in der Tat eine "Frage, die zur Wurzel" geht.
2. "»Wir haben nicht das durchgemacht, damit es heute Menschen in diesem Land gibt, die Deutschland unterstützen, so als ob nichts geschehen sei." - vielleicht liegt es an der Übersetzung, aber ist das Wörtlein "damit", das auf einen Zweck hinweist, in diesem Satz recht am Platze?
3. Polen "jene Fans, die den Krieg noch erlebt haben" - also die sind mindestens 66 Jahre alt. Geht man von bewußtem Erleben aus, dann sind die mindestens 75 Jahre, also geht es um die vielen polnischen Fußballfans höheren Alters. Horden von Ihnen sehe ich Vuvuzelablasend durch Warschau ziehen... Endlose Massen!
4. "Begnadigung der deutschen Nation dient" - Hä? verstehe ich nicht. Die (israelisch-) jüdische Nation begnadigt die deutsche Nation nach 65 Jahren wegen der Fußballweltmeisterschaft? Hä? Was ist denn das für ein Unsinn! Ohne Kommentar...
5. "Viele Menschen glauben, dass die Bereitschaft zur Normalität zwischen beiden Völkern die Erinnerung an den Holocaust und die Ermordeten beschädigt und als Begnadigung der deutschen Nation dient." - Ja, schlagendes Argument. Normalisierung beschädigt viel, ohne Zweifel, v.a. Fata Morganas und wohlgepflegte Feindbilder. - Es wäre ja schade um sie... v.a. wenn sie zur nationalen Identifikation und zur politischen Instrumentalisierung etc. dienen...
Also, was die Fußballweltmeisterschaft 2010 mit dem zweiten Weltkrieg und der Judenvernichtung zu tun hat, verstehe ich immernoch nicht. Irgendwie will es mir so vorkommen, daß manche Journalisten gern gegen Windmühlen kämpfen, Sachen zu einem Thema machen, die eigentlich gar kein Thema sind.
Fotos und Impressionen von Kurzreisen durch das Morgenland (Israel, Palästinensische Gebiete etc.). Gedanken und Eindrücke aus weiteren Besuchen im Heiligen Lande. Information und Meinungskampf.
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