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Humanist vielleicht und vielleicht liberal; Menschenfreund im Allgemeinen; reflektierend; angeborener Gerechtigkeitssinn

Mittwoch, 26. Mai 2010

Bevölkerung und Zionismus

Hier gibt es einen Abriß der Bevölkerungsentwicklung im heiligen Lande. Im Buch von Yosef Gorny (1987) "Zionism and the Arabs, 1882 - 1948 : a study of ideology", Clarendon Press, werden noch mehr Zahlen, v.a. aus der Frühzeit des zionistischen Unternehmens zitiert, die ich bald hier anfügen werde.
Nach dem CIA World Factbook leben 2010 7,35 Mio Menschen In Israel, davon 76,4% Juden, d.h. also 5,6 Mio. Demzufolge 1,7 Mio Araber in Israel (Grafik - Achtung arg verzerrt, da die senkrechte Achse bei 60% abgeschnitten ist!). Nach dieserQuelle unterscheidet sich das Bevölkerungswachstum zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen erheblich: für 2008 wird 1,7% vs. 2,7% angegeben, wenn man diese Zahlen als konstant annimmt und über 40 Jahre, d.h. auf 2050 extrapoliert, so gelangt man zu 11 vs. 4,9 Mio.

Wenn man nun noch die Daten fürs Westjordanland von 2,5 Mio und 2,13% auf den gleichen Zeitraum extrapoliert, so gibt dies 5,8 Mio, und für den Gazastreifen (1,6 Mio, 3,29%) nochmal 5,8 Mio.

Also: 11 Mio Juden, 5 Mio Palästinenser in Israel und 11 Mio Palästinenser in den Autonomiegebieten: 11 vs. 16 im Jahre 2050 im Vergleich zu 5,6 vs. 5,8 (=2,5+1,6+1,7) heutzutage. Dazu gibt es ja sehr interessante Artikel im Netz, z.B. bei Wikipedia spricht man tatsächlich von einer Bevölkerungsbombe/ einer Bedrohung. Interessanterweise ist der israelische Abschnitt zu diesem Thema der längste... ein Schelm, der böses dabei denkt... Auch hier gibt's nen Artikel, hier, hier oder hier und sicherlich noch viel mehr...

Wie dem auch sei, die obigen errechneten Zahlen bedürfen einer gewissen kritischen Würdigung. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerungswachsums Israels kommt aus der Nettozuwanderung, die, in früheren Jahren wesentlich stärker, dem Land immernoch eine gewisse Anzahl neuer Bewohner beschert. Die Einwanderungszahlen sind jedoch stark rückläufig, jährliche Zahlen habe ich aber leider nicht dazu gefunden... Innerhalb Israels haben die (Ultra-) Orthodoxen das stärkste Wachstum, was denen der Palästinenser wohl kaum nachsteht. Der Anstieg des Lebensstandards (und der Verwestlichung) der (jüd.) Israelis läßt zurückgehende Wachstumsraten erwarten.
Die Vermerhung der Palästinenser dagegen wird unter den gegebenen polit-ökonomischen Bedingungen kaum zurückgehen, vielleicht wird sogar das Gegenteil stattfinden... Daher halte ich es nicht für realistisch, in 40 Jahren 11 Mio Juden in Israel zu haben, 15 Mio Palästinenser im Heiligem Land erscheinen demgegenüber nicht zu unwahrscheinlich. Natürlich könnten die (jüd.) Israelis etwas dagegen tun. Sie könnten die vollständige (d.h. ökonomische, soziale, politische und gesellschaftliche) Gleichberechtigung ihrer arabischen Mitbürger erwirken, eine gesellschaftliche Veränderung könnte unter denen einsetzen, die dazu führt, daß diese sich mehr mit anderen Dingen als dem Kindermachen und -kriegen beschäftigen. Eine ähnlichen Ansatz könnte man mit den Autonomiegebieten wählen anstatt diese nach besten Kräften in die größte Armut zu zwingen. Schon allein aus sicherheitspolitischen Erwägungen sollte man das tun. Setzt man einen konstanten Anteil der Bevölkerung voraus, die für fundamentalistisches und terroristisches Gedankengut empfänglich ist, so steigt die absolute Anzahl derer mit steigender Bevölkerung. Ich kann nicht so recht erkennen, wie das im Interesse Israels sein soll.

Nun noch die Bevölkerungsbombe... Es ist selbstredend, daß der Absatz zu Israel länger ist als alle restlichen Absätze zusammen. An dieser Stelle eignet sich folgendes sehr treffendes Zitat "Das in Kategorien des 19. Jahrhunderts verfangene Israel hinkt dem 21. Jahrhundert hinterher." Solches rassisches Geschwafel über die Bedrohung des "Volkes" durch ein anderes ist nicht mehr zeitgemäß. Einfach die Idee, einen Staat explizit über die Volkszugehörigkeit zu definieren, ist ausgemachter Blödsinn. Noch größerer Blödsinn ist es, zur Sicherung der Existenz bzw. eher des Charakters/ der Ideologie dieses Staates zu versuchen, das staatstragende Volk in der Überzahl zu halten, damit der latente Feind in der Form der derzeitigen Minderheit nicht einmal auf die Idee kommt, einen Umsturz zu wagen. Darin schwingt natürlich die existentielle Angst mit, daß es dem derzeitigen staatstragenden Volk dann für so manche (objektiv begangene/ subjektiv wahrgenommene) Ungererechtigkeit an den Kragen gehen könnte. Diese Angst kann in der Tat existentiell sein. Jedoch besteht doch die Herausforderung darin, anstatt so stark wie möglich mit der Faust auf den Tisch zu klopfen, in der Hoffnung, der latente Feind hält still, dafür zu sorgen, daß aus der derzeitigen Konkurrenz- und (extremen) Wettbewerbsituation ein Miteinander, eine Koexistenz wird, die sicherstellt, daß auf beiden Seiten weder Religion noch Volkszugehörigkeit eine solche dominante Rolle spielt wie heutzutage. Dann hätte keine Gruppe der Bevölkerung Grund, von einer anderen Böses zu erwarten, da sie alle gleichbereichtigt in dem Staat leben würden. Grundvoraussetzung für eine solche Entwicklung wäre allerdings, daß erstens die Vergangenheit auf beiden Seiten offensiv aufgearbeitet wird und man einen gemeinsamen Nenner für die Definition eines Staates jenseits von Religion und Volk finden kann. Tabus beider Seiten müssen dafür auf den Prüfstand.

Die politische Ideologie des Zionismus, die ein stetig aufpoliertes Erbstück aus dem Europa des vorletzten Jahrhunderts darstellt, behindert eine solche Entwicklung, macht sie sogar vollkommen unmöglich. Vielleicht sollte man sich in Israel dahingehend weiterentwickeln, wie die Palästinenser nationalen oder religiös begründeten Fundamentalismus und den Rachegedanken loswerden müssen... Das wäre eine tiefgreifende Umwertung der Werte, eine wahre Revolution fürchte ich. Aber wohl Utopie angesichts der gegenwärtigen Lage.

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